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Hans Reimann und das Dritte Reich

Um es vorweg zu sagen: Hans Reimann war Zeit seines Lebens überzeugter (und aktiver!) Anti-Nazi. Im Gegensatz zu Günter Grass, Siegfried Lenz, Martin Walser, Dieter Hildebrandt und vielen anderen war Hans Reimann zu keiner Zeit Mitglied der NSDAP. Am Ende der Hitler-Diktatur wurden aber Gerüchte und Lügen über Hans Reimann in die Welt gesetzt, welche auch heute noch verbreitet werden, und zwar in übelster Form und - ohne Beweise! Und es gibt eine Tatsache: Im Jahre 1944 veröffentlichte Reimann einen bösen Beitrag, betitelt „Jüdischer Witz unter der Lupe“. Das war zu dieser Zeit ein Fehltritt, unter dem er bis zum Ende seines Lebens schwer gelitten hat. Über die Gerüchte um Reimann schrieb der große Kabarettist Werner Finck im Vorwort zu Reimanns Autobiographie „Mein blaues Wunder“ (1959):

Mein Blaues Wunder "Dieses Reimann-soll habe ich ein Jahrzehnt lang immer wieder gehört. So oft, dass ich Reimann-soll schon so zusammengehörig empfinde wie Schlegel-tiek und Caro-ass. Von der Leni haben wir hernach nie gesagt, sie soll -. Sondern immer: sie hat; es gehabt. Na schön. Veit hat. Einen Sohn, der alles wieder gutzumachen versucht, und es offenbar besser gemacht hat als sein Vater. Hans Reimann dagegen? Dagegen auf jeden Fall. Bis auf einen Kniefall, Den hat er getan und zugegeben. Verdammt und zugenäht. Und dann ist noch diese merkwürdige Geschichte mit seinem Verleger Steegemann gewesen, den soll er ins... Die Beweisaufnahme eines kurzen Prozesses, den Hans Reimann 1958 machte, hatte jedoch ergeben, 'dass Steegemann nie in einem nationalsozialistischen Konzentrationslager war, dass also der Kläger eine solche Inhaftierung nicht verursacht haben kann'. Ein glattes 1 : 0 für Hans Reimann."

Der Autor Volker Kühn schrieb über Hans Reimann u. a.: „Hans Reimanns besondere Begabung lag auf dem Gebiet der scharfzüngigen Literatur-Parodie. Tucholsky schätzte ihn, lobte seine Bücher und hatte ihn zur Mitarbeit an der „Weltbühne“ eingeladen. Dort veröffentlichte Reimann 1924 eine ironische ‚Trutzhymne‘, die er allen Rechtskonservativen und den aufkommenden Nazis ins Stammbuch schrieb:

‚Wer hat das Hakenkreuz erfunden? Die Juden!
Wer illustriert damit Rotunden? Die Juden!
Wer hat den Dolchstoß inspiriert? Die Juden!
Wer hat den Index ruiniert? Die Juden!’

Und so weiter, und so weiter. Um zu enden:

‚Wer hat Amerika entdeckt? Die Juden!
Wer spricht den säxschen Dialekt? Die Juden!
Drum jagt sie fort aus unserm Reiche!
Ein donnernd Heil der deutschen Eiche!’

Und zwei Wochen später war in der ‚Weltbühne‘ wieder eine bissige Reimann-Satire zu lesen, diesmal über das Hitler-Bärtchen. Titel: ‚Schmeichelhafte Legende‘.

‚Eines Morgens löste Hitlers Bart sich von der Lippe,
Wie ein mohrenschwarzer Schmetterling hob er die Flügel,
Schwebte adlergleich dahin zum Teutoburger Walde,
Armins des Cheruskers Denkmal mit Respekt zu grüßen,
Und sodann, von Völkischkeit erfüllt, zu Wotan eilend,
In den patentierten Allgermanenhimmel.
Richard Wagner saß zur Rechten, Felix Dahn zur Linken.
Um die Wette tranken Meth die drei Kumpane,
Und der mohrenschwarze Schmetterling trank heimlich mit,
Trank und trank, und trunken kehrte er zurück zur Erde,
Kehrte heim auf Adolf Hitlers ahnungslose Lippe,
Und wie teutscher Honig fleußt’s seitdem von seinem Munde.’

Tucholsky war entzückt. Er las und besprach alle Reimann-Bücher, deren er habhaft werden konnte. „So haben wir lange nicht gelacht“ kommentierte er Reimanns Parodie auf den ‚Alraune‘-Autor Hanns Heinz Ewers, die 1921 unter dem Titel ‚Ewers – ein garantiert verwahrloster Schundroman in Lumpen, Fetzchen, Mätzchen und Unterhosen von Hanns Heinz Vampir‘ erschienen war.
1931 machte Reimann, der Vielschreiber, wieder von sich reden. Sein Verleger Steegemann kündigte in großen Presse-Anzeigen sein neues Programm an. Hans Reimann, war da zu lesen, arbeite an einer Parodie auf Hitlers ‚Mein Kampf‘, die demnächst unter dem Titel ‚Mein Krampf’ auf dem Buchmarkt erscheinen werde.
Die Nazis jaulen auf. Auch Hanns Johst, damals bereits Präsident des nationalsozialistischen ‚Kampfbund für deutsche Kultur’, den Reimann aus Leipzig kannte. Johst, der damals gerade sein ‚Schlageter’-Drama abgeschlossen hatte, in dem sich so brachiale Merksätze finden wie ‚Wenn ich das Wort Kultur höre, entsichere ich meinen Revolver’, fragt Reimann während eines ausgedehnten Spaziergangs am Starnberger See, ob er eigentlich lebensmüde sei. Darauf hin will Reimann aus seinem Vertrag aussteigen, aber der Verleger besteht darauf und verklagt ihn. Der Rechtsstreit endete später mit einem Sieg Steegemanns, Reimann wurde wegen Vertragsbruchs zu einer vierstelligen Geldstrafe verurteilt.“

Warum aber die üble Nachrede, warum die Gerüchte um Hans Reimann nach der Hitler-Diktatur?
Der Autor Raoul Konezni sieht es im Begleitheft zur Reimann-CD „Oswin, der ertrunkene Hering“ (Edition Berliner Musenkinder) so:

"Was etwa Ludwig Thoma und Karl Valentin zusammen zur Salonfähigkeit der bavarischen Mundart beigetragen haben, ist Reimann für die der sächsischen anzurechnen. Dies soll allerdings seine literarischen Verdineste im Hochdeutschen nicht schmälern, ebenso wenig wie die Qualität seiner unbarmherzigen Theater- und Musik-Kritiken, mit denen er sich wenig Freunde machte (neidvolle Vertreter des Metiers, wie Herbert Ihering, versuchten es ihm bereits um 1930 heimzuzahlen, während ihm ein ebenso ungnädiger Kollege, Alfred Kerr, gewogen war), was insbesondere ab 1945 auf Rache sinnende 'Opfer' auf den Plan rief, ihren 'Peiniger' Unehrenhaftes aus der Nazizeit anzuhängen. Carl Zuckmayer etwa entwarf in seinem Geheimdienst-Dossier über die Zuverlässigkeit nicht emigrierter Kulturschaffender ein regelrechtes Horrorszenarium. Die üble Nachrede (ein harmloser Beitrag für das SS-Blatt 'Das Schwarze Korps' wurde zu einer 'ständigen Mitarbeit' potenziert) wirkt trotz gewonnener Verleumdungsprozesse nach und beeinträchtigt Reimanns künstlerische Bedeutung bis heute."

Zu Lebzeiten konnte Reimann sich gegen alle Diffamierungen erfolgreich vor Gericht wehren, führte u. a. einen Prozess gegen den Schriftsteller Moritz Lederer, dem vom Gericht ein öffentlicher Widerruf seiner ungeheuerlichen Lügen auferlegt worden war.

Und heute? 30 Jahre nach dem Tod eines Menschen kann heute jeder jede Lüge über ihn verbreiten, ohne gerichtlich belangt zu werden. Deshalb hat wohl auch der Wallberg-Verlag mit der Herausgabe eines Pamphlets so lange gewartet, bis die Witwe von Hans Reimann nichts mehr gegen die unbewiesenen (in den Anmerkungen zum Teil bereits widerlegten!!!) Behauptungen unternehmen konnte, die angeblich von Carl Zuckmayer im fernen Amerika für die damalige US-Regierung aufgezeichnet worden sind. Selbst Zuckmayers Frau Alice soll Zweifel an der Objektivität, an den Quellen ihres Mannes gehabt und ihn gefragt haben: "Woher weißt du das?" Die Zweifel sind verständlich, denn vieles von dem, was Zuckmayer (angeblich) aufgezeichnet hat, klingt nach der märchenhaften Recherche: "Man erzählt sich dort im fernen Germany..."

Sachlich und mit ausführlichen Recherchen hat sich Helmut Dreßler mit dem Zuckmayer-Buch auseinandergesetzt, siehe: http://www.helmut-dressler.de/HD_Unglimpf.html
Die Reaktion von Verlag und Herausgeber zeigen, dass die Herren unbelehrbar sind und mit ihrer Diffamierung nur Geld verdienen wollen. Wenn die Behauptungen schon nicht bewiesen werden können, dann hält man trotzdem daran fest, basta! So wurden früher mal Hexen verbrannt.
Frage an Nickel und v. Wallmoden: Können Sie eigentlich noch in den Spiegel schauen...?
Die gleiche Frage geht an Ernst Klee, der die braune Soße ungeprüft in einem Buch übernommen hat, das bei S.Fischer erschienen ist, einem Verlag, der schon im Dritten Reich erfolgreich publiziert hat.

Dass Hans Reimann alles andere war als ein Nazi, das hat er hinreichend bewiesen. Der Schriftsteller Hans Riebau (1899-1968) erklärte 1968 an Eides statt: "Ich lernte Herrn Reimann im Winter 1937 in Berlin kennen, kurz nachdem ich einen scharfen Angriff gegen Reimann im Schwarzen Korps gelesen hatte. Reimann war damals 'kommissarischer Schriftleiter' der 'Brennessel' und forderte mich zur Mitarbeit an diesem Blatt auf, das er, wie er sagte, von politischen und tendenziösen Beiträgen reinigen wollte. Diese Absicht setzte mich zwar einigermaßen in Erstaunen, aber tatsächlich hat R. die Zeitschrift zu einer Art 'Lustigen Familienblatt' gemacht, jedenfalls, so weit Textbeiträge in Frage kamen. Die Folge war, dass die 'Brennessel' vom Eherverlag gänzlich aufgegeben wurde und nicht mehr erschien. Nachher lernte ich Herrn Reimann erst im Januar 1939 kennen, nachdem er mich aufgefordert hatte, mit ihm zusammen ein Lustspiel zu schreiben. Ich fuhr nach Berlin und war erstaunt, in R. nicht einen politisch indifferenten Mann zu finden, sondern einen fanatischen Gegner des Nationalsozialismus. Diese gemeinsame Einstellung gegen den Nationalsozialismus verband uns eher als alles andere. Reimann nahm nicht nur bedingungslos Stellung gegen alles, was nationalsozialistisch war, sondern war auch sehr unvorsichtig; ich habe ihn in der Öffentlichkeit wiederholt bitten müssen, diplomatischer zu sein. Reimann wurde im 'Schwarzen Korps' und somit in aller Öffentlichkeit als Staatsfeind und Liberalist gebrandmarkt."

Soweit der Rückblick in die unselige Zeit, in der Reimann, am Ende gekniffen hat, um das eigene Leben zu retten. Und damit die Gerüchte, Hans Reimann wäre damals wirklich zum Nationalsozialismus konvertiert, ein für alle Mal geklärt sind, folgt hier ein Passus aus dem Urteil vom Kassationshof im Bayrischen Staatsministerium für Sonderaufgaben vom 26. April 1949, also nachdem Reimann seinen unseligen Aufsatz "Jüdischer Witz unter der Lupe" verfasst hatte:

Hans Reimann "Der Betroffene war bis 1933 ein bekannter, ausgesprochen antifaschistisch eingestellter Schriftsteller. Er arbeitete mit Juden zusammen, hatte sie zu Freunden und half ihnen. Diese Haltung gab er auch nach der Machtergreifung nicht auf. Die Nationalsozialisten verboten seine Bücher, erklärten sein öffentliches Auftreten oder die Nennung seines Namens als unerwünscht oder verlangten eine jeweilige Erlaubnis. Die Kreisleitung Dresden bezeichnete ihn als einen Feind jeder nationalen Regung, der unerbittlich auszuschalten sei. Der Betroffene erlitt nicht nur Geldnachteile, sondern auch ideellen Schaden: Seine Laufbahn als Schriftsteller war abgeschnitten, er geriet in Vergessenheit. Dies änderte sich auch nach dem beanstandeten Artikel nicht. Der Betroffene ist als Opfer des Nationalsozialismus einer milderen Beurteilung würdig, zumal seine antinazistische Gesinnung bestätigt wird und er trotz jenes Zeitungsartikels kein Anhänger der nationalsozialistischen Rassenlehre ist."

17. Literazzia, Arena-Verlag
aus: 17. Literazzia, Arena-Verlag

16. Literazzia, Arena-Verlag
aus: 16. Literazzia (1967/8), Arena-Verlag

Dokument Eva Maag


Hans Reimann